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Junges Kammerorchester Reinickendorf

Die Orchesterprobe

Stück in einer Szene von Stefanie Schulz

Ort: Aula einer Schule
Zeit: Freitagabend, 19.25 Uhr
Personen: unterschiedliche Musiker

Personen und Handlung des Stückes sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit bestehenden Orchestern sind rein zufällig.

Stühle stehen im Halbkreis um das Dirigentenpult, die 2. Oboe sitzt auf ihrem Platz, ebenso eine 2. Geige am zweiten Pult, vor sich hin fiedelnd. Das 2. Horn gibt einige Töne von seinem Platz aus von sich, kann jedoch nicht mit der Virtuosität der 1. Klarinette mithalten, die sich in einer Ecke des Raumes einspielt (vor allem das FORTE muß besonders geübt werden!). Das 1. Horn kämpft währenddessen mit dem fünfzehnten Notenständer an diesem Abend - immer lächelnd. Ein kleines Grüppchen steht rauchend am Rand der Aula, sich unterhaltend. Andere packen ihre Instrumente aus. Insgesamt sind im Raum weniger Musiker als Stühle. Ein Mann ohne Instrument geht auf das Dirigentenpult zu und sagt halblaut: "Laßt uns anfangen, wir haben heute viel vor!" (flüchtiger Blick auf die Uhr)
Die 1. Klarinette setzt sich, ebenso die beiden 2. Fagotte, das 1. Horn, eine Trompete, eine 1. Geige vom ersten und eine vom zweiten Pult, drei 2. Geigen sitzen auf ihren Plätzen, und sogar eine Bratsche ist anwesend. Auf und unter einigen Stühlen liegen Notenmappen.
"Einer" aus der Rauchergruppe: "Wir kommen gleich, wir rauchen nur schnell auf!"
Durch die offene Tür rechts kommt eine Frau ohne Instrument herein, blickt durch den Saal, geht zielstrebig auf einen zu groß geratenen Geigenkasten zu, packt das Instrument aus, setzt sich neben den ersten Bratscher.
Alle Sitzenden - bis auf die zweite Oboe - geben irgendwelche Töne von sich.
Die zweite Bratsche ruft:"Hat jemand schon ein 'a'?"- Keine Reaktion.
Durch die offene Tür rechts schiebt sich ein Kontrabaß, gefolgt vom Kontrabassisten. Er geht zum Dirigenten, gibt ihm die Hand, sucht sich einen Platz, um sein Instrument auszupacken. Währenddessen setzen sich die Raucher (Konzertmeisterin, 2. Geige vom zweiten Pult, 1. Flöte), Geräuschpegel nimmt zu.
Durch die Tür rechts kommen ein Mann und eine Frau, gleich danach ein Mann mit einem Geigenkoffer, gehen zum Dirigenten, geben ihm die Hand, suchen sich einen Platz, um die Instrumente auszupacken. Der Geiger setzt sich ans dritte Pult der 1. Geigen. Die anderen beiden (Flöte und Trompete) probieren gleich an Ort und Stelle ihre Instrumente aus, setzen sich dann.
Dirigent: "Können wir jetzt anfangen?" Geräuschpegel bleibt. Konzertmeisterin schlägt mit ihrem Bogen gegen ihren Notenständer. Es wird langsam ruhig. Der Geiger vom dritten Pult der 1. Geigen schließt die Tür. Während die Klarinette das 'a' angibt, geht die Tür rechts wieder auf, eine Dame mit Fagottkoffer kommt herein, winkt lässig dem Dirigenten zu, sucht sich einen Platz, um ihr Instrument auszupacken. Es wird wieder laut, alle spielen durcheinander, ab und zu erklingt auch der Kammerton 'a'. Konzertmeisterin: "Jetzt mal nur die Streicher, Klarinette bitte ein 'a'!"
Der Klarinettist, langsam schon etwas errötet, spielt ein 'a'. Die anderen Bläser unterhalten sich. Der Trompeter gibt seinem Kollegen ein paar Seiten seiner Zeitung ab (er liest sowieso nur den Wirtschaftsteil), die 1. Flöte erzählt der 2. den neuesten Chirurgenwitz, die Fagottistin begrüßt ihren Kollegen (den anderen auch).
Plötzlich gibt die Konzertmeisterin das 'a' auffordernd an die Bläser weiter, die inzwischen gar nicht mehr auf das Stimmen eingestellt sind, aber sie geben sich alle Mühe, schon wegen der Gruppendynamik.
Die Tür rechts geht wieder auf, eine Dame mit ziemlich großem geschulterten Instrument kommt herein, packt ihr Instrument aus, setzt sich, reiht sich in die allgemeinen Töne ein. Dirigent: "Skizzen bitte, dritter Satz!"
Allgemeines Gemurmel ("schon wieder Sommer; den könn wa ja jetz echt schon auswendig", Klarinettist, seiner Klarinette den Kopf abreißend: "Mist, da brauche ich ja die andere Klarinette", geht zu seinem Klarinettenkoffer und werkelt daran herum.), einige stehen auf, um die Notenmappen vom Flügel zu holen, andere blättern in ihren Noten.

Jemand rüttelt an der Tür links, die abgeschlossen ist. Dirigent sucht den Schlüssel (Hemd, Hose, Notentasche). Jüngstes Orchestermitglied: "Der liegt auf'm Flügel, haste doch selba dahin gelegt!"
Stimmt. Dirigent schließt die Tür auf, begrüßt die Hereinkommende, die sich nun auch einen Platz zum Auspacken ihres Instrumentes sucht. Nachdem sie alles eingeweicht, zusammengesteckt und geknotet hat, setzt sie sich links neben den Klarinettisten.

Allgemeiner Lärm.
Dirigent: "Skizzen bitte, dritter Satz! --- Wo ist denn meine Brille?" - sieht fragend zum jüngsten Orchestermitglied, das aber nur mit den Schultern zuckt. Dirigent sucht (Hemd, Hose, Notentasche).
Hinweis vom 1. Horn: "Hast du sie nicht vorhin bei Brigitte in deine Jackentasche gesteckt?"
Tatsächlich. Gefunden. Die Brille aufsetzend: "So, jetzt kann’s losgehen".
Gemurmel. 1. Klarinette gibt an die 2. ihr 'a' weiter. Dirigent schlägt kurz mit dem Dirigierstab ans Pult, hebt die Arme. Es wird stiller.
Fagottistin: "Was spielen wir denn?"
Stöhnen, Gemurmel, Gekicher, Dirigent läßt die Arme sinken. Dirigent: "Die Skizzen, dritten Satz!"
Fagottistin: ,,Schuldigung, aber dis is hier hinten akustisch nich angekommen!" Sie blättert in ihren Noten, die Bratschen auch, aber heimlich.
Dirigent hebt die Arme: "In Vierteln, zwei Takte vor." Gibt den Einsatz. Alle spielen. Tierischer Lärm, nach vier Takten bricht der Dirigent ab.
Dirigent: "Ihr habt nicht mein Tempo, gleich noch mal!" Dirigent hebt wieder die Arme, am zweiten Geigenpult fallen die Noten herunter. Dirigent läßt die Arme sinken. Während die Noten aufgehoben werden, geht rechts die Tür auf, jemand mit Rucksack und Regenhose kommt herein, etwas naß, winkt dem Dirigenten zu.
Die Geigen haben die Noten inzwischen wieder auf das Pult sortiert, der Neuankömmling packt sein Instrument aus, verläßt mit einer kleinen Plastikdose den Raum.
Allgemeines Gemurmel.
Dirigent: "Jetzt, wo die erste Oboe da ist, laßt uns lieber Beethoven spielen. Bitte den vierten Satz!"
Gemurmel, Protest vom Klarinettisten, der wieder aufspringt und zu seinem Klarinettenkoffer stürzt.
Der Oboist kommt zurück, werkelt fachmännisch an seiner Oboe herum, andere tönen vor sich hin.
2. Flöte: "Ich hab' keine Noten!" Dirigent läuft zur Notentasche, sucht, kramt.
Dirigent: "Ich auch nicht. Die müssen irgendwo anders sein." 2. und 1. Flöte suchen weiter in den Mappen, ohne Erfolg. Dirigent: "Spiel halt erst mal die 1. mit! Oboe, bist du fertig?" Oboist nickt.
Dirigent: "Los geht's!" Hebt die Arme, es wird ruhiger. Gibt den Einsatz, alle fangen an. Es klingt ähnlich wie beim ersten Versuch. Der Dirigent hält jedoch etwas länger durch. Konzertmeisterin ruft mitten in das Getöse: "He, Leute, achtet ihr vielleicht mal auf die Vorzeichen! Zweite Geigen: Vierten Finger höher! Es ist tierisch unsauber."
Es ändert sich kaum etwas. Dirigent bricht ab. Konzertmeisterin: "Was seid ihr für ein Sauhaufen?! Das war GROTTENFALSCH."
In dem Moment geht die Tür rechts auf, ein junger Mann mit Rucksack kommt herein, packt sein Instrument aus, setzt sich neben die zweite Flöte. Kurzes 'a' - stimmt. (Stimmt fast immer.)
Von links bekommt die 2. Flöte Noten zugeschoben - Beethoven hat sich angefunden.
1. Trompete, laut: "Was hat die 1. Trompete in Takt vier auf dem fünften Achtel für einen Ton zu spielen?" Dirigent: "In Takt vier auf dem fünften Achtel?" Trompeter: "Ja."
Dirigent: "Gar nichts, ihr setzt erst in Takt sechs ein." Trompeter: "Ich hab aber hier was."
Dirigent: "Stimmt aber nicht! In der Partitur steht für euch Pause."
Währenddessen ist der Oboist wieder aufgesprungen, hat etwas von "Helm vergessen" gemurmelt und ist rechts hinausgegangen.
Trompeter: "Dann stimmen meine Taktzahlen nicht. Ich zähl mal nach." Zählt. Währenddessen allgemeines Gemurmel. Trompeter: "Ich meine Takt acht."
Dirigent: "In Takt acht habt ihr beide ein notiertes 'feses' klingend 'deses', parallel zum Horn."
Trompeter: "Notiert 'feses'? Dann isses aber kein 'deses'!" Hornistin: ,,Ich hab in Takt acht kein 'deses'!" Dirigent: "Es geht doch jetzt gar nicht um's Horn. Na, notiert ist jedenfalls ein 'feses'."
Trompeter: "Also notiert 'feses', dann isses klingend ein 'f'. Na, ich probier's halt mal mit 'f'."
Währenddessen: 2. Flöte an rechten Nachbarn: "Warum kommst'n so spät?"
3. Flöte: "Hab' noch die Sportschau zuende geguckt. Bayern hat verlorn."
2. Flöte nickt.
Oboist kommt wieder, legt einen Motorradhelm neben seinen Oboenkasten, setzt sich.
Dirigent: "Ich zähle jetzt noch mal Achtel. 2. Geigen: Schön ruhig bleiben im Tempo." Hebt wieder die Arme. Gibt den Einsatz. Alle spielen. Es klingt schon viel besser als vorher, - die zweite Klarinette wirkt jedoch etwas desorientiert. Dirigent bricht ab.
Dirigent: "Klarinette, hast du das Tempo nicht gehabt, oder wo war das Problem?"
Klarinette ganz verwundert: "Warum zählst du in Achteln?" Dirigent: "Weil es ein langsamer sechs-achtel-Takt ist, und wir im Übetempo spielen!"
Klarinette: "Sechs-achtel-Takt? Hab ich nicht!" Dirigent: "Wir spielen Beethoven, vierten Satz." Klarinette: "Beethoven? Ich denke die Skizzen -"
Allgemeines Stöhnen, Gemurmel. Klarinette sucht ihre Noten.
Fagottistin: "Ich muß mal auf's Klo." Verläßt den Raum durch die Tür links.
Dirigent: "Haben jetzt alle die richtigen Noten vor sich? Dann geht's jetzt los."
Dirigent hebt die Arme. Gibt den Einsatz. Alle spielen. Es klingt mäßig. Dirigent bricht ab.
Konzertmeisterin: "Laßt uns noch mal nachstimmen." Steht auf, gibt ihr ,a' weiter, alle stimmen.
Die Fagottistin kommt wieder zurück, stimmt aber nun nicht mehr nach, sie stimmt sowieso immer.
Dirigent hebt wieder die Arme, alle setzen ein. Nach einigen Takten haben auch die Klarinetten und zweiten Geigen auf das richtige Tempo abgebremst, und die Bratschen haben schon fast auf das Zieltempo beschleunigt. Der Baß findet auch die ,Eins' vom Takt, und die Flöten haben sich unter Gekicher geeinigt, wer welche Stimme spielt. Die Hörner warten vergeblich auf ihren Einsatz, die Trompeten auch, da wird halt improvisiert, dabeisein ist alles!
An den hinteren Pulten der Geigen wird wieder mal kräftig simuliert - über den Bogenstrich muß man sowieso noch mal ausführlich diskutieren! Einige Spieler steigen ab und zu aus, aber die meisten finden früher oder später wieder ‘rein, die Generalpause wird für das eine oder andere Solo genutzt. Der Schlußakkord, oder besser, Schlußklang erdröhnt. Fast alle sind gleichzeitig am Ende des Stückes angekommen, kaum jemand hat noch ungespielte Noten übrig.
Der Dirigent läßt die Arme sinken, klappt die Partitur zu. Dirigent: "Kein Problem, könn' wa. PAUSE!"



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